Der kulinarische Horizonterweiterer

Gestatten, Rolf Klöckner, Genuss-Journalist, Feinschmecker, Gourmetkritiker. Der Mann aus Völklingen mit demfeinen Gaumen ist auch Buchautor und Verleger – und fest davon überzeugt, dass mit besserem Essenauch das Leben besser wird. Ein Porträt.

Kennen Sie die „Genussecken des Saarlandes“? Einige sicherlich – aber bestimmt nicht so viele wie der Profi, der Gastrojournalist und Gourmetkritiker Rolf Klöckner. Was vor seinem Gaumen besteht, muss gut sein. Aber wer ist der Mann, der sich so leidenschaftlich für das Genießen einsetzt?

Behäbig oder umständlich ist er nicht. Zu einem Treffen kommt es sofort, der Weg ins Geschehen ist kurz. Er führt auf den St. Johanner Markt in Saarbrücken zu den „besten Eiern der Stadt“. Hier bei Hermann Wahlen, dem Geflügelzüchter, sieht sich Klöckner an einem typischen Ort seines Wirkens, unter Menschen und Lebensmitteln. Ein guter Platz für Fotos, weitere entstehen in der Diskontopassage bei Früchte Kreis, vom Gourmetführer „regioGuide“ zum Fachgeschäft des Jahres 2011 gekürt.

Rolf Klöckners Anliegen endet nicht bei seinem eigenen Bauch, er bringt Menschen und Essen zusammen. Und das schon immer. Als studierter Sozialpädagoge war Klöckner bei seiner Arbeit mit Verwahrlosung und Vernachlässigung konfrontiert.

Menschen und Essen – das will Klöckner zusammenbringen

Er hat Kinder erlebt, die Angst hatten das Essen würde nicht reichen. Kinder, in deren Zuhause die Knappheit des Angebots dafür sorgte, dass nur der Schnellste und Durchsetzungsfähigste satt wurde. Immer wieder traf er in seinem früheren Job auf Jugendliche, für die die Zubereitung selbst einfacher Gerichte völliges Neuland war. Klöckner aber wäre nicht Klöckner, wenn er nicht zur Tat schreiten und die Kinder bekochen würde. Mit einfachsten Mitteln – zwei Gasflammen auf einem Zeltplatz – hat er es immer wieder geschafft, viele hungrige Mäuler satt zu kriegen und Freude am Essen zu wecken. Waren es deutsch-französische Begegnungen, dann lagen Garnelen auf dem Grill, und die französischen Kinder griffen zu. So konnte auch der zuerst skeptische Nachwuchs aus Deutschland die anfängliche Zurückhaltung überwinden. Die Kinder lernten etwas Neues kennen. Ein Erfolg, der Rolf Klöckner stolz macht.

Klöckner im Gespräch mit Hermann Wahlen auf dem St. Johanner Markt in Saarbrücken: Klöckners Devise heißt „Alle sollen gut essen.“
Klöckner im Gespräch mit Hermann Wahlen auf dem St. Johanner Markt in Saarbrücken: Klöckners Devise heißt „Alle sollen gut essen.“

Seine Liebe zum Essen keimte früh. 1956 in Saarbrücken geboren, verbrachte er eine Stadtrandkindheit mit Kirschen aus Nachbars und Gemüse aus dem eigenen Garten: Bohnen, Lauch, Kartoffeln und Erdbeeren wurden gepflanzt, gehegt, geerntet, verarbeitet, gegessen. Der ganze Weg der Nahrung ein vertrautes Terrain. Klöckner hatte zudem das Glück, eine hervorragende Köchin zur Mutter zu haben, deren regional geprägte Gerichte auch die Nachbarschaft zum Schwärmen brachten. Seine kulinarische Horizonterweiterung fand in Frankreich statt. Der eifrige Schüler errang die Gunst seiner Französischlehrerin und kam so 14-jährig im Schüleraustausch nach Paris. Die Gastfamilie samt gleichaltrigem Sohn blieb ihm für viele Jahre in Freundschaft erhalten. Und was gab es da zu essen! Artischocken, Lachs… Anfang der 70er Jahre war in Deutschland selbst Knoblauch noch ziemlich exotisch.

Beleuchter, Über-setzer, Brötchenholer

Sozialpädagogik studierte Rolf Klöckner in Darmstadt, gleichzeitig arbeitete er für den Saarländischen Rundfunk als Beleuchter, Übersetzer, Aufnahmeleiter und Brötchenholer bei Filmproduktionen. Dabei war man oft, auch mal für längere Zeit, in interessanten Gegenden unterwegs. Mit dem Studium klappte es trotzdem, denn ein Kommilitone schrieb mit und mehrere Baustellen waren für Klöckner ohnehin nie ein Problem. Gegessen und gekocht wurde in jener Zeit natürlich auch, Fünf-Mark-Stammgericht beim Italiener oder Gulasch- und Kartoffelsuppe und andere studentische Essen auf Klöckners Bude. Freunde waren willkommen.

Das blieb auch in einer sehr kochaktiven Zeit in den 90er Jahren so. Die Ehefrau teilte die Leidenschaft, Freunde wurden zu Hause im „Privatrestaurant“ bekocht, oder man widmete sich gemeinsam auf Hausboottouren dem Angebot vor Ort und den Genussexperimenten an Bord. Da hatte sich Klöckner aber schon Expertise erarbeitet, denn in den 80er Jahren hatte er seine Freizeit, Wochenenden und Urlaube in der Küche eines Freundes verbracht. Dieser war ein ambitionierter Koch, einer, der große Erwartungen weckte, ein aufgehender und viel zu früh verglühter Stern am Kochhimmel. Ohne zu zögern übernahm Klöckner die Verantwortung für Gang drei und sieben eines Menüs für immerhin 119 Personen. Große Gruppen nicht immer unproblematischer Kinder schreckten ihn schließlich auch nie ab. In der Restaurantküche wurde geschuftet. Unter Zeitdruck, in Hektik, mussten Kunstwerke vollbracht werden. Mit dem ungewohnten Profimesser schnitt der Lernwillige sich erst mal in die Finger, das Weitermachen war schmerzhaft.

Rolf Klöckner: Den echten Genussmenschen hat es nach Völklingen verschlagen.
Rolf Klöckner: Den echten Genussmenschen hat es nach Völklingen verschlagen.

Der Genießer, den es mittlerweile nach Völklingen verschlagen hat, absolvierte so eine Kochausbildung der Spitzenklasse. Die verschafft ihm heute den Respekt der renommierten Köche und Kenner, die ihm nachsagen, er sei im Saarland der einzige Gastrokritiker, der Ahnung habe. Sein unbestrittener Vorteil: Er kennt eben beide, oder sogar alle Seiten. Auch die ganz elementare Notwendigkeit, einfach nur satt zu werden. Das „Mäkel-Gen“ fehlt ihm. Die Bekanntschaft mit „Kochgöttern“ wie Paul Haeberlin, Eckart Witzigmann oder hierzulande Christian Bau und Klaus Erfort, in deren Küchen er kundiger und ehrfürchtiger Gast war und ist, hat ihn nicht zum Snob werden lassen. „Chemiebaukastenkritik“ liegt ihm fern, der Respekt vor dem Lebensmittel und der Mühe der Zubereitung ist groß, das Prinzip seines Buches „regioGuide“, das er nun schon seit 14 Jahren herausgibt, einfach – Erwähnung findet, was von ihm gutgeheißen wurde. Schlechtgeredet wird keiner.

Ein kleiner Kreis Eingeweihter ist nicht Klöckners Zielgruppe. Alle Menschen sollen gut essen, lautet seine Devise. Letztlich stehen immer Menschen, und oft solche, denen geholfen werden kann, im Zentrum seines Tuns. Klöckner macht Bücher. Mit Leidenschaft. Kinder malen und kochen mit „Pelle, dem Kartoffelbären“. Mit fantasievollen Illustrationen der Künstlerin Billy Bärdges und kindgerechten Rezepten, einer Erzählung sowie Seiten zum Ausmalen lädt dieses Buch zum sofortigen Loslegen ein. Gedacht ist es als ein Tor zur Kreativität: Malen, Kochen, Theater spielen, Musizieren – wer will da Grenzen setzen? Klöckner ist ein Netzwerker, und er denkt und handelt interdisziplinär. Er sucht sich Teams und integriert Ideen und Schaffenskraft, ist offen für Synergieeffekte.

Von den ehrenamtlichen Mitarbeitern der Tafel kam der Hinweis, viele Menschen wüssten mit dem Gemüse, das ihnen überreicht würde, gar nichts anzufangen. Klöckner setzte sich hin und schrieb ein Buch: „Koch doch einfach!“ Unkompliziert und bezahlbar. Das Buch kommt auch in sozialen Projekten wie Kochkursen für Hartz-IV-Empfänger zum Einsatz.

Seit 1998 verwirklicht der umtriebige Missionar im Dienste des guten Lebens Buchprojekte im eigenen Verlag. Mehr Zeit brachte 2009 der Ausstieg aus dem Leben als Arbeitnehmer, das Gesundheitsamt als letzte Station im öffentlichen Dienst hatte Klöckner in das Projekt „Völklingen lebt gesund“ involviert. Inzwischen ist seine Genussagentur Projektpartner, seine Bücher sind Bestandteil der von Oberbürgermeister Klaus Lorig ins Leben gerufenen Völklinger Genussbibliothek. Auch beim diesjährigen Männergesundheitstag im Saarbrücker Schloss hieß es „Koch doch einfach!“ Die Gründung der Firma Völklinger Genussagentur vor einem Jahr ermöglicht es ihm, all seine Ideen und Initiativen in großer unternehmerischer Freiheit unter einen Hut zu bringen. Der Aktionsradius ist selbstbestimmt, das Tempo auch.

Sein Büro trägt der Mann, der nach eigenen Worten gern unterwegs ist, folgerichtig in der Hosentasche. Mit dem internetfähigen Mobiltelefon wird zum Beispiel die Öffentlichkeitsarbeit quasi en passant erledigt – kurzes Update bei Facebook, Geschäftskorrespondenz, sogar telefonieren – geht alles überall. Rolf Klöckner ist eben ein Mann, der gerne auf vielen Hochzeiten… kocht.

Astrid Karger