Geheimtipps und Klassiker

FORUM-Kolumnist Rolf Klöckner lebt das frankophile Leben wie kaum ein anderer Saarländer. Kulinarisch macht ihm keiner was vor, in Paris schlendert er durch die Bistros, als würde er gerade nur so über den Saarbrücker St. Johanner Markt spazieren. Heute teilt er seine Lieblingsadressen in Paris mit den Lesern.

Im Jahr 1971 war ich zum ersten Mal in Paris. Ich sah noch das „große Loch“, le grand trou, an der Stelle, wo früher die Hallen standen. Die Großhändler mussten die Innenstadt von Paris verlassen, der neue, moderne Markt im Süden der Kapitale, Rungis, wurde Heimat der Händler des Guten und Außergewöhnlichen. Die Kulisse, die Emile Zola in seinem wunderbaren Roman „Der Bauch von Paris“ so einzigartig beschrieb, war Vergangenheit. Wie kam ich nach Paris? Nun, im Jahr zuvor lernte ich, im Alter von gerade 14 Jahren, im Urlaub meine erste Freundin kennen. Martine aus Lyon. Ich glaube nicht an Zufälle. Es war doch wohl vorbestimmt, dass meine erste Freundin aus der Hauptstadt des Genusses stammen musste. Das Problem dabei war allerdings, dass sie nur Französisch sprach. Ich setzte mich in der Schule also richtig auf den Hosenboden und meiner Lehrerin blieb nicht verborgen, dass mich Französisch plötzlich sehr interessierte. Martine schrieb, meine Briefe würden immer besser, und ich lernte nur noch Französisch.

Nein, das ist keine Szene aus einem Film. So gemütlich geht es in den Pariser Bistros tatsächlich zu.
Nein, das ist keine Szene aus einem Film. So gemütlich geht es in den Pariser Bistros tatsächlich zu.

Meine Französischlehrerin steckte mich also in ein Austauschprogramm des Deutsch-Französischen Jugendwerks und fortan verbrachte ich meine Schulferien in Paris. Denn eine Sprache lernt man gewöhnlich nicht so richtig in einer Schule, dafür umso schneller im fremden Land. Vor allem lernt man aber auch die kulinarischen Besonderheiten dieses Landes kennen. Heute denke ich oft: Merci Martine, merci Christine! Ohne diese beiden Frauen gäbe es keinen zweisprachigen Restaurantführer Regioguide und ich wäre kein „Gastronaut“.

Ich kenne mich etwas aus in dieser Stadt. Immer wieder reise ich dorthin, auch wenn die Interessen sich in den 40 Jahren veränderten, sich immer mehr auf das Kulinarische fokussierten. Mit dem TGV/ICE lohnt sich heutzutage sogar ein Tagesausflug. Meistens bleibe ich aber zwei, drei Tage. Ich will Ihnen heute mal, bis auf ein ganz großes Restaurant, einige Bistros der Innenstadt vorstellen. Hier habe ich seit 20 Jahren viele kulinarische Besonderheiten erlebt und diese Häuser kann ich nur empfehlen. Es ist aber nur ein ganz kleiner Ausschnitt an Pariser Vielfältigkeit. Um Ihnen ein umfassendes Bild zu machen, sollte ich wohl mal ein Buch über die kulinarischen Spezialitäten dort schreiben.

Ich versuche immer gegen Mittag in Paris zu sein. Meistens gehe ich zuerst ins „Le Coude Fou“. Dort bekomme ich ein kleines, außergewöhnliches Menü für etwa 25 Euro. Die Weinauswahl ist auch nicht 08/15, sondern trägt eher die Handschrift eines Kenners. Der Laden ist etwas rustikal, ein Künstlerbistro mit naiven Malereien an den Wänden. Vor Jahren hat sich ein Kellner mit dem Chef verkracht und gegenüber sein eigenes Bistro geschaffen: „Les Fous d´en Face“. Ein Wortspiel, denn das erste bedeutet: „Das verrückte Tröpfchen“ und das zweite „Die Verrückten von gegenüber“. Auch bei Philippe gegenüber sind Menü- und Weinkarte „comme il faut“.

Danach schlendere ich zur „Brasserie de l‘Isle Saint-Louis“. Auf der Insel Saint-Louis gelegen, gegenüber gibt es das beste Eis in Paris, bei Berthillon. Hier war ich zum ersten Mal 1980, damals war Otto noch Küchenchef. Er war Deutscher, ist nach dem Krieg in Paris geblieben. Er machte die elsässische Küche in Paris berühmt und bis heute gehen die Leute ein Choucroute oder andere elsässische Spezialitäten hier essen. Am Tresen gibt es Bier aus Steinhumpen und Lachen ist nicht verboten. Anschließend schlendere ich zu „La Cloche des Halles“. Der Chef heißt heute Franck Lesage, mit Papa Serge machten wir früher die Reise durch das Beaujolais. Alle elf Crus des Beaujolais in der richtigen Reihenfolge: Regnié, Chiroubles, Fleurie und so weiter. Die Besonderheit hier um die Mittagszeit: Es werden riesige, toll belegte Stullen mit Brot des berühmten Pariser Bäckers Poilâne gereicht. Um 11.50 Uhr ist der Laden leer, um 12.30 haben Sie Glück, wenn Sie noch einen Platz finden.

Schon mittags beginnt der Genuss. Etwas trinken und Leute beim Flanieren beobachten gehören dazu.
Schon mittags beginnt der Genuss. Etwas trinken und Leute beim Flanieren beobachten gehören dazu.

Abends gehe ich gerne zu „Chez Georges“, ein Bistro der gehobenen Klasse mit einer großen Weinkarte. Seit seiner Eröffnung im Jahre 1920 verwöhnen die Betreiber ihre Gäste auf hohem Niveau. Ein Klassiker in Paris. Die edlen Spiegel und das goldene Licht lassen hier eine mondäne Atmosphäre aufkommen. Die Gerichte sind außergewöhnlich gut und die Weinkarte besser als in so manchem Sternetempel. So, es ist nun 23 Uhr, was anfangen mit dem angebrochenen Nachmittag? Da gibt es nur eine Antwort für mich: „Chez Denise“. Direkt an den Hallen gelegen, das Bistro für die Nacht. In der Nähe gibt es viele Zeitungsredaktionen und die Herrschaften kommen etwas später. Küche gibt es hier bis mindestens 3 Uhr, manchmal länger. Im Internet gibt es ein Video, auf dem der berühmte Koch Anthony Bourdain dort speist. Allein um diese riesigen Portionen zu verifizieren, sollten Sie da mal reinschauen. Die Tischdecken sind Drucke eines befreundeten Künstlers, eine hängt mit persönlicher Widmung an meiner Wand im Büro. Seit 1966 betreibt Denise „La Tour de Montlhery“, wie das Bistro offiziell heißt. Ihr Mann Jack ist schon ein paar Jahre tot, ihr Sohn unterstützt sie im Geschäft. Der Küchenchef ist schon seit 30 Jahren am „Piano“. Hier wird jede Nacht gefeiert, ein buntes Völkchen aus Journalisten, Künstlern und Politikern gibt alles zum Ruhm der großen französischen Küche.

Ganz wichtig bei einem Besuch nach meinen Vorschlägen ist ein Hotel in der Innenstadt. Orientierung: Les Halles. Denn die Métro fährt nachts nicht mehr und die Wege in Paris sind weit.
Ich kenne ein paar saarländische Köche und Gourmets, die lieben ein ganz besonderes Restaurant. Der Betreiber ist der „Koch des Jahrhunderts“, Joël Robuchon. Wolfgang Quack von der Villa Weißmüller fährt in regelmäßigen Abständen dorthin und Christian Bau erzählte mir vor ein paar Monaten, dass seine Töchter ihn von Zeit zu Zeit fragen: „Papa, wann fahren wir wieder ins Atelier?“ Robuchon lässt in seinem Atelier junge Köche aus der ganzen Welt unter der Regie von dreien seiner langjährigen Chefköche arbeiten. Das Außergewöhnliche dort: Es gibt keine Tische, sondern nur zwei lange Theken, die rund um die Küche gebaut sind. Die Preise unterscheiden sich allerdings von den anderen Häusern dieser Empfehlungen. Wenn Sie für die Bistros 30 bis 50 Euros investieren müssen, auch hier geht es wesentlich teurer, müssen Sie im Atelier schon 150 Euro für ein großes Menü hinlegen. Doch alle, die dort waren, kommen gerne wieder.

Bistros haben in Frankreich eine lange Tradition. Neben Snacks spielt für die Franzosen guter Wein eine wichtige Rolle.
Bistros haben in Frankreich eine lange Tradition. Neben Snacks spielt für die Franzosen guter Wein eine wichtige Rolle.

In der Rue Montorgueil, hinter der Kirche St. Eustache, findet dreimal die Woche ein Markt statt. Ein lohnenswertes Ziel, um sich vor der Heimreise nochmals mit ein paar Spezialitäten einzudecken. In einer kleinen Nebenstraße liegt das „Aux Crus de Bourgogne“. Hier ist eine der Spezialitäten ein ausgezeichneter Hummersalat. Aber auch alles andere, was ich hier je goutierte, brachte mich zu der Überzeugung, immer wieder hierher zurückzukommen. Die Menüs am Abend liegen bei 30 Euro, was nicht in jedem der hier beschriebenen Bistros üblich ist. Die Weinauswahl beschränkt sich nicht nur auf die weltberühmten Weine Burgunds. Bei Robuchon waren wir schon, also sollten wir noch zu Ducasse. Er hat mittlerweile weltweit über 50 Betriebe, eine Linie für junge Leute, in mehreren Metropolen, auch in St. Tropez. Er war der erste Koch mit zwei Drei-Sterne-Tempeln: in Monte Carlo und Paris. Täglich flog er hin und her. Mittags Monte Carlo, abends Paris. Heute ist er Genussmanager sowie noch vieles mehr und hat vor ein paar Jahren eines meiner Pariser Lieblingsbistros übernommen: „Aux Lyonnais“. Sie wissen, Martine kam aus der französischen Hauptstadt der Feinschmecker, aus Lyon.

Seit 1890 ist es das wahre „bouchon lyonnais“ in Paris und seit fast zehn Jahren trägt es die Handschrift von Alain Ducasse. Mit seinem Qualitätsanspruch. Hier gibt es die authentischen Spezialitäten der Region, wo Saône, Rhône und Beaujolais zusammenfließen. Paris, eine Stadt zum Sattwerden.

Rolf Klöckner ist Ehrenmitglied des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften. Entscheidend für die Ernennung waren seine langjährigen und erfolgreichen Bemühungen, Kindern das Kochen als grundlegende Kulturtechnik zu vermitteln.

Bistro-Tipps in Paris

La Cloche des Halles
28, Rue Coquillière,
75001 Paris, Telefon
0033-142369389,
Samstagabend und Sonntag geschlossen

Le Coude Fou
12, Rue Bourg Tibourg,
75004 Paris, Telefon
0033-142771516,
immer geöffnet.

L‘Atelier du Joël Robuchon
5, Rue de
Montalembert,
75007 Paris, Telefon
0033-142225656,
immer geöffnet.

Chez Georges
1, Rue Mail,
75002 Paris, Telefon
0033-142600711,
Samstag und Sonntag geschlossen.

Chez Denise
5, Rue des Prouvaires,
75001 Paris, Telefon
0033-142362182,
Samstag und Sonntag geschlossen.

Brasserie de l‘Isle Saint-Louis
55, Quai Bourbon,
75004 Paris, Telefon
0033-143540259,
Mittwoch geschlossen.

Aux Lyonnais
32, Rue St. Marc, 75002 Paris, Telefon
0033-142966504, Samstagmittag, Sonntag und Montag geschlossen.

Les Fous d‘en Face
3, Rue Bourg Tibourg,
75004 Paris, Telefon
0033-148870375, Sonntagabend geschlossen.

Aux Crus de Bourgogne
3, Rue Bachaumont,
75002 Paris, Telefon
0033-142334824,
Samstag und Sonntag geschlossen.